* Artikel "Ulrich Halder - Biologe, Naturschützer, Flötensammler"

* Artikel 'Ich bin ein privilegierter Mensch'


"Vernunft ist offenbar nicht meine Stärke!"

Gespräch mit Ulrich Halder, Präsident der GEFAM


Interview: Jörg Fiedler, Redaktor GLAREANA

Artikel erstmals erschienen in GLAREANA 1/2009


Die Gesellschaft der Freunde alter Musikinstrumente (GEFAM) wurde 1951 in Zürich gegründet. Sie ist eine international tätige Organisation mit Schwergewicht im deutschsprachigen Raum. Die Gesellschaft hat den Zweck, das Verständnis für alte Musikinstrumente in ihrer ganzen Vielfalt zu fördern. Sie sucht dies durch Vorträge, Exkursionen, Publikationen und Inventarisierung von Musikinstrumentensammlungen zu erreichen. Zudem ist ihr ein zentrales Anliegen, den Austausch zwischen Spezialisten der Museen, der Hochschulen und des Instrumentenbaus mit privaten Sammlungen und Liebhabern zu fördern. Die von der Gesellschaft herausgegebene Zeitschrift GLAREANA erscheint zweimal jährlich. Näheres zur GEFAM auf www.gefam.ch.


Fotos GEFAM (links) und ANIMUSIC (unten)


Jörg Fiedler: Drei Vitrinen voller historischer Querflöten, zwei Klaviere, Notenständer und Regale voller Musikliteratur: Ulrich Halder, sieht so das Arbeitszimmer eines Biologen aus?

Ulrich Halder: Was hast Du denn erwartet – ausgestopfte Vögel, Aquarien oder ein Mikroskop? So etwa sah’s in meinem Büro als Direktor des Naturmuseums Naturama in Aarau aus. Aber hier zuhause herrscht die Musik vor, meine zweite Leidenschaft. Die Flöten habe ich in den letzten Jahren zusammengetragen, pflege und spiele sie fleissig. Das 100jährige Steinway-Klavier ist ein Familienerbstück und wird vor allem von meiner Frau Jacqueline benutzt. Meine Begleiter müssen mit dem Keyboard vorlieb nehmen, weil es sich aufs Hertz genau auf meine Flöten abstimmen lässt.

JF: Wie kamst Du zur Flöte, und welchen Raum nahm die musikalische Beschäftigung bei Dir ein?

UH: Die Querflöte war das Lieblingsinstrument meiner Mutter, also begann ich mit 10 Jahren Flöte zu spielen. Bis zur Matura genoss ich gründlichen Unterricht, zuletzt am Konservatorium Zürich bei Jean Poulain. Ich denke, dass ich ein recht anständiges Niveau erreichte – jedenfalls akzeptierte mich Marcel Moyse als jüngsten Teilnehmer in seinem ersten Boswiler Meisterkurs. Den Entscheid, dennoch Biologie und nicht Musik zu studieren und diese als Hobby zu pflegen, habe ich nie bereut. Einen schöneren Ausgleich zum Berufsalltag kann ich mir kaum vorstellen. So begleitet mich die Flöte nun seit 50 Jahren. Das ist übrigens durchaus wörtlich gemeint: Zum Verdruss meiner Gemahlin schleppe ich eine Plastik-Traverso auf jeder Reise mit, sogar auf unserem Segelboot.

JF: Gab es auch Beziehungen zwischen Deiner beruflichen Tätigkeit und der Musik?

UH: Indirekt schon. Für meine Dissertation verbrachte ich anderthalb Jahre im javanischen Dschungel, wo ich einige seltene Tierarten studierte. Da haben die vielen klangvollen Vogelrufe immer wieder zu flötistischer Nachahmung verlockt. ‚Le Merle Noir’ von Olivier Messiaen habe ich trotzdem nie wirklich zustande gebracht… Meine letzte Sonderausstellung im Naturama widmete ich dem Thema ‚Holz & Klang’ – beide Phänomene sind ja naturwissenschaftlicher Art. Neben vielen Streich- und Zupfinstrumenten kam da auch meine Flötensammlung erstmals vor ein grösseres Publikum.

JF: Gab es bestimmende Ereignisse auf Deinem Weg als Spieler und Sammler?

UH: Oh ja! Vor vielen Jahren etwa den Unterricht bei Peter - Lukas Graf, dem ich für die Lektionen jeweils in die ganze Schweiz nachreisen musste. Er brachte mir die Flötensonaten von J .S. Bach nahe. Oder vor fünf Jahren die Interpretation einer dieser Sonaten durch Lisa Beznosiuk, deren wunderbar dunkler Flötenklang mich endgültig für die historischen Flöten einnahm. Damals begann ich mit dem Traverso-Unterricht und bald auch mit dem Sammeln. Seither sind rund 80 Instrumente aus verschiedensten Quellen zusammen gekommen.

JF: Welche Ziele verfolgst Du denn mit Deiner Sammlung?

UH: Mein ehrgeiziges Ziel ist, von jedem entscheidenden Schritt in der langen Entwicklung der Querflöte ein Exemplar zu haben – wenn möglich als Original, bei Instrumenten aus der Barockzeit, die heute zu vernünftigen Bedingungen kaum mehr zu finden sind, auch als Nachbau. Besonders spannend finde ich, die Veränderung des Klangideals im Lauf der Jahrhunderte zu verfolgen. Deshalb sollen meine Instrumente spielbar sein. Ist es denn nicht wunderbar, eine Flöte, die 200 Jahre bewegter Weltgeschichte und sechs Generationen überlebt hat, wieder zum Klingen zu bringen? Diese Instrumente aus edlen Hölzern, mit Elfenbeinringen und Silberklappen in der Hand zu halten, ist allein schon ein sinnliches Erlebnis. Und sie dann erst noch anzublasen! Nur an die damalige Mundhygiene sollte man vielleicht nicht denken…

JF: Nun ist ja das Spielen auf einer Renaissanceflöte, auf einer Barock - Traverso, auf einer mehrklappigen romantischen Flöte oder auf einer modernen Böhmflöte jeweils ganz was anderes. Trotzdem spielst Du manchmal Rezitals mit bis zu acht verschiedenen Flöten. Ist das nicht etwas gewagt?

UH: Das ist sogar höchst unvernünftig! Ich verstehe jeden Profi, dessen Berufsehre ein solches Risiko nicht zulässt. Aber da versuche ich halt einfach mal was Neues, wähle nicht die anspruchsvollsten Stücke und nehme einen gewissen 'Amateurbonus' in Anspruch. Eine beträchtliche Schwierigkeit sind ja die unterschiedlichen Fingergriffe und Mundlochgrössen, die oftmals fingerbrechenden Klappenanordnungen und die bei jedem Instrument anderen Intonationsprobleme. Aber das hält geistig fit. Schwierig ist für mich auch, das während 50 Jahren sorgsam gepflegte ‚Böhm-Vibrato’ abzulegen. Und am anspruchsvollsten ist natürlich die jeweils ‚richtige’ Interpretation der Musik aus vier Jahrhunderten. Für all dies habe ich in Liane Ehlich an der Scola Cantorum Basel eine höchst kompetente und liebevoll-hartnäckige Lehrmeisterin gefunden.

JF: Wie Dein Artikel ‚Schwegel, Zwerch und Schweitzerpfeiff. Eine kurze Geschichte der kurzen Flöte‘ zeigt, beschäftigst Du Dich auch mit den kulturhistorischen Aspekten der Flöteninstrumente. Wie bist Du ausgerechnet auf die Geschichte der Pfeifen gekommen?

UH: Ganz einfach, weil mich die Redaktorin des Schweiz. Tambouren- und Pfeiferverbandes angefragt hat. Bisher hegte ich keine besonderen Sympathien für diese schrillen Flötchen – wahrscheinlich habe ich zu lange und zu nahe bei den Fasnachtskellern in der Basler Innenstadt gewohnt. Aber die Arbeit an der Geschichte der Pfeife erwies sich als wirklich spannend, weil viel zerstreutes Material vorhanden ist, dieses aber bisher noch kaum zusammengetragen und populärwissenschaftlich dargestellt wurde.

JF: Wie kamst Du denn eigentlich zur GEFAM, und erst noch auf ihren Präsidentenstuhl?

UH: Auch das habe ich meiner Lehrerin Liane Ehlich zu verdanken. Sie drückte mir einfach mal ein GLAREANA-Heft und einen Anmeldezettel in die Hand. Die Jahresversammlung 2008 in Basel fand ich dann inhaltlich und menschlich so spannend, dass ich mich zur Mitarbeit im Vorstand bewegen liess. Und schwupps sass ich schon auf dem Thron. Du siehst, Vernunft ist offenbar wirklich nicht meine Stärke! Aber ich mache es gern, lerne viel und erlebe immer wieder spannende Begegnungen.

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